Axel Ritsma

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Berichte - Strassenverkehr

China und der Strassenverkehr

 


Zuerst muss man anmerken, dass nur jemand der hier in China gewesen ist und den Verkehr hier mit eigenen Augen gesehen hat, die Geschichten glauben kann, die man hier taeglich erlebt und ueber die man Baende schreiben koennte. Wenn man dazu noch die Gelegenheit hatte einmal hier selbst fahren zu koennen, kann man sich bildlich vorstellen, worueber ich versuche ein paar Artikel zu verfassen.

Man kann den chinesischen Strassenverkehr, kurz umrissen, eigentlich mit einer Eigenschaft charakterisieren. Extrem ruecksichtslos. Ein solches Mass an Ruecksichtslosigkeit ist sogar mir neu, und wer mich kennt, "Flensburg" sowieso, wird bestaetigen koennen, dass ich nie ein Engel war.

Ich habe in den mittlerweile 28 Jahren, die ich im Besitz saemtlicher Fahrerlaubnissen in Deutschland bin, und in all den Jahren im internationalen LKW- und Bus-Fernverkehr in Europa schon einiges erlebt und, bis dahin, fast unmoegliches gesehen. Aber das was man hier taeglich auf dem Weg zur Arbeit erleben darf ist unglaublich. Die Pariser Taxifahrer sind, selbst zu Berufsverkehrszeiten, noch Chorknaben verglichen mit einer chinesischen Hausfrau die ihre Kleinen zur Schule faehrt. Aber das wiederum ist noch nichts verglichen mit einem hiesigen Taxi-, Bus- oder LKW-Fahrer. Manchmal hat man den Eindruck, man muss nur ignorant und ruecksichtslos genug sein, und man bekommt den Personen-Befoerderungsschein gratis.

Alles ist irgendwie gepraegt von einem staendigen "Kampf um's Ueberleben". Da sich auf diesem Flecken Erde ca. 1/3 der Weltbevoelkerung tummeln und jeder sich selbst der Naechste ist, wird so ruecksichtslos gefahren, als waere man alleine auf "Gottes weiter Flur". Man schert sich einen Dreck darum, ob man andere belaestigt, behindert, gefaehrdet oder gar schaedigt, womit wir bei Paragraph 1 der deutschen StVO sind. Hier gibt es schon ein Strassenverkehrsgesetz! Ja ja, das gibt's. Dies scheint aber weniger Strassenverkehrsvorschriften zu beinhalten, als mehr Strassenbenutzungs-"Empfehlungen". Mir liegt dieses Strassenverkehrsgesetz in englischer Uebersetzung vor und ich habe nach dem kurzen Studium desselben (es ist wirklich nicht allzuviel darin vermerkt) mich nur darueber gewundert, dass es also doch moeglich zu sein scheint, eines der groessten Laender der Welt fast ohne Regeln in Bewegung zu halten.

Wie man sich selbst ueberzeugen kann, hat die Polizei, die netten Damen und Herren in den blauen Uniformen, zuviel zu tun, um sich wirklich um den Strassenverkehr zu kuemmern. Um diesen Uniformen nicht zu nahe treten zu wollen, oder ohne irgend jemanden persoenlich kraenken zu wollen (eine meiner Schwaegerinnen ist Dienststellenleiterin einer Polizeidienststelle in Hunan) muss ich sagen, dass es natuerlich auch Ausnahmen von der beruehmten Regel gibt. Aber man weiss aus "welchem Holz" diese Herrschaften sind, wenn man (selbst ausprobiert) auf der Autobahn mit 120 km/h auf einem "80 km/h-Abschnitt" einen Polizeistreifenwagen mit Lichthupe anblinkt und dann auf der Standspur ueberholt, ohne das es auch nur irgendeine Verfolgungsjagd, eine Strafe oder ein Bussgeld zur Folge hatte.

Hier in Shenzhen ist es jetzt z.B. neuerdings verboten, als Fahrer im Auto waehrend der Fahrt zu rauchen. Das Telefonieren mit dem Handy, ohne das hier in China gar nichts geht, ist schon laenger verboten. Jetzt passierte es vor kurzem, dass ich an einer roten Ampel anhalten musste. Dies tue ich gewoehnlich auch im Gegensatz zu vielen anderen. Auf der rechten Nebenspur kam ein Polizeiwagen herangerollt und hielt neben mir an. Die beiden Beamten sassen mit Zigarette im Fahrzeug, rauchten also, und der Fahrer hatte zusaetzlich noch das Handy zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt. Soviel zu Thema "Vorbild-Funktion". Ja ja, ich weiss. Auch in Deutschland gibt es "schwarze Schafe" bei der Polizei und nicht jeder Beamte verhaelt sich so vorbildlich wie man es von von ihm erwarten wuerde. Das ist klar. Ich war selbst mal fuer ein paar Jahre Polizeibeamter und wiss, dass es schwer ist, sich immer vorbildlich zu verhalten. Man ist halt nur ein Mensch. Aber in Deutschland ist das eine Ausnahme, hier ist es die Regel. Etwas, das ich noch nirgendwo in Europa gesehen habe, konnte ich gluecklicherweise fotografieren. Ein Polizeibeamter auf seinem Streifenmotorrad liegend und schlafend, waehrend sich an der 8-spurigen Kreuzung die Autos tummeln und bei Rotlicht fahren, dass es eine Freude ist. Richtig. Wo soll man anfangen? Wen soll man zuerst anhalten, wenn man alleine ist? Das ist schon ein Problem. Dann lieber: "Augen zu und durch (die Nachtschicht)!"

Zum Glueck gibt es aber auch andere Polizeistreifen. Solche die z.B. sogar fahrende Reisebusse anhalten und kontrollieren. Kuerzlich wurde ich Zeuge, wie ein Streifenwagen einen Reisebus mitten auf der Strasse angehalten und kontrolliert hat. Ja richtig. Mitten auf der Strasse, und zwar auf einer, in beiden Richtungen, je 5-spurigen Stadtautobahn wurde der Bus auf der mittleren Spur ausgebremst und dort zum Anhalten gezwungen, worauf die Beamten zum Bus gingen und mit der Kontrolle anfingen, anstatt dies auf dem dort eingerichteten Standstreifen zu erledigen. Ich glaube ein diesbezueglicher Kommentar eruebrigt sich.

Jetzt habe ich allerdings "Pech" mit der Wahl meiner "besten Ehefrau von Allen", um Kishon zu zitieren. Meine Frau ist, leider und gluecklicherweise, mehr an der Einhaltung aller moeglichen Regeln interessiert als irgendjemand sonst hier zu Lande. Sie ist der Grund, warum ich jetzt waehrend der Fahrt (wenn sie dabei ist) den Zigarettenkonsum reduziere, warum ich nicht mehr gar so schnell fahre und warum wir manchmal fuer die gleiche Strecke halt etwas laenger brauchen als wenn ich alleien unterwegs bin. Von den bisherigen 8 Bussgelder die ich zahlen durfte stammen 6 von "Geschwindigkeits-Kameras". Eines wurde von einem, an einer bedeutungslosen Kreuzung, fotografierenden Beamten gemacht, als ich das neu aufgestellte "Linksabbiegeverbot" uebersehen hatte und eines stammt von einer "Foto-Ampel", als ich beim Rechtsabbiegen bei Gruenlicht einem Radfahrer auswich und dabei auf die Kontaktschwelle der Geradeaus-Spur geriet. Einspruch einlegen? Zwecklos. Gemaess den chinesischen Vorschriften ist man solange schuldig, bis man selbst zweifelsfrei seine Unschuld beweisen kann. Also? Zahlen. Es war aber auch nicht allzu tragisch da sich die Bussgelder hier in ertraeglichem Rahmen halten, jedenfalls fuer jemanden, der pro Monat mehr als doppelt soviel Geld sparen kann, wie man zum Leben ausgeben muss. Ein Rotlicht-Verstoss kostet umgerechnet 30 Euro, eine Geschwindigkeitsueberschreitung, egal wie hoch, ca. 40 Euro, Rauchen im Fahrzeug ca. 20 Euro und Telefonieren ebenfalls ca. 20 Euro. Das "Vergessen" des Sicherheitsgurtes ist auch mit ca. 20 Euro Strafe belegt, aber bisher hat noch nie jemand diese Strafe von mir verlangt, obwohl ich den Gurt so gut wie nie benutze, und auch ohne Gurt in Polizeikontrollen anhalte ohne mir diesen vorher noch schnell umzuhaengen. Die Hoehe der Strafen aendert sich allerdings staendig, sodass selbst Polizeibeamte fuer jede Aktion in einem Handbuch nachsehen muessen was nun zu tun ist.

Alles in Allem koennte man eigentlich sagen, dass fuer einen ehemaligen "Verkehrsraudi" aus Europa, wie mich, China ein Paradies zu sein scheint. Aber leider weit gefehlt. Bedingt durch die teils ruecksichtslose, teils einfaeltige und teils dumme Fahrweise muss man hier taeglich und stuendlich mit Dingen rechnen, die man vom europaeischen Strassenverkehr nur aus Witzen oder Phantasiegeschichten kennt, oder evtl. einmal pro Autofahrerleben wirklich erlebt hat. In 28 Jahren Fahrpraxis sind mir bisher z.B. mehrfach PKW's und sogar LKW's auf der Autobahn rueckwaerts entgegengekommen, weil sie die Ausfahrt verpasst hatten. Natuerlich mit Einweiser. Aber keiner davon in Europa. Ich habe in Europa bisher nur ein einziges Mal einen Radfahrer auf der Autobahn gesehen, und vor dem wurde noch per Verkehrsfunk gewarnt. Hier sieht man ca. 1-2 Radfahrer und mindestens 5 Fussgaenger auf 100 km Autobahnfahrt. Ohne Warnung, versteht sich.

Tja, andere Laender, andere Sitten.

Dies erst einmal zum Thema Strassenverkehr. Weitere Geschichten werden noch folgen. Natuerlich nicht nur amuesante oder haarstraeubende sondern auch mal positive, wie die von einem aeusserst hilfsbereiten Chinesen, der uns mal im Eiltempo auf seinem Motor-Fahrrad durch eine Stadt gelotst hat. Dies aber ist eine andere Geschichte.

Viel Spass und "Unfallfreie Gute Fahrt" wuenscht

Alex