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Unser Scherenschleifer

 

Wie schon zu alten Zeiten ueberall auf der Welt, sind auch heute noch vereinzelt ein paar Scherenschleifer unterwegs. Hier in China sieht man sieh recht haeufig. In der Provinz, auf den Doerfern und auch hier in Shenzhen einer ca. 14 Mio-Metropole. Auch in unserem Stadtteil sind mindestens 3 dieser umherziehenden Scherenschleifer unterwegs. Deren Vorteil, im Gegensatz zu ihren "Kollegen" auf dem Land ist, dass sie nie weit "reisen" oder umherfahren muessen um zur Kundschaft zu gelangen.

 

Einer unserer Scherenschleifer wohnt nicht weit entfernt von unserer Siedlung in dem aermeren und schmutzigeren Teil dieses Stadtteils. Es gibt hier in unserem Stadtteil naemlich eine Teilung in "Mei Li Yi Cun" und "Mei Lin Er Cun". Das heisst "Mei Lin Erstes Dorf" Und "Mei Lin Zweites Dorf". Das "erste Dorf" ist die gehobene Siedlung fuer die wohlhabendere Schicht, sprich Beamte, Unternehmer und andere reiche Leute, die sich die Mieten hier leisten koennen. Ab der grossen Kreuzung, nicht weit von unserem Haeuserblock entfernt, beginnt dann "Mei Lin Er Cun", das aermere Viertel. Hier wohnen die Leute zwar nicht in Slums und dreckigen Huetten, aber alles ist halt etwas schmutziger, billiger und armseliger als auf der anderen Seite der Kreuzung. Hier wohnt auch unser Scherenschleifer.

Er zieht durch die naehere Umgebung und klappert dort die ganzen Wohnsiedlungen und Haeuserblocks ab. Er setzt sich dann vor den Eingang eines dieser "Estates" (vergleichbar mit einer Wohnsiedlung in Deutschland, aber umzaeunt und gesichert), da man ihn, einen solchen "armen Schlucker", natuerlich nicht reinlassen kann, und wartet auf Kundschaft. Die stellt sich auch recht schnell ein und so hat er dann alle Haende voll zu tun.

 

 

Er sitzt dann dort auf seinem, aus alten Holzresten zusammen gezimmerten, schmalen Baenkchen. Unter den "lritschen" und interessierten Blicken der Kundschaft und des Sicherheitspersonals nimmt dann fuer ein paar Yuan die Messer, Schere und Kuechenbeile in Empfang um sie wieder mal zu schaerfen. Er sieht aus, als waere er schon fast an die 100 Jahre alt. Ein, wie von Sonne, Wind und Wetter gegerbtes Gesicht und rauhe, faltige Haende. Wie alle Chinesen ist auch er kein Huehne und durch seine wohl jahrelange Taetigkeit hat er auch einen leicht gebeugten Gang. Man hat oefters den Eindruck, als koste ihn jede Bewegung seine letzte noch vorhanden Kraft. Ganz langsam und bedaechtig nimmt er die Wasserflasche vom Boden und spritzt ein paar Wassertropfen auf die Scheibe oder den Scheifstein. Und ebenso langsam bewegt er sich, wenn er die Handkurbel fuer seine Schleifmaschine dreht. Selbst mit dem "Uebersetzungszahnrad", das seine Drehungen der Handkurbel auf eine halbwegs akzeptabele "Schleifgeschwindigkeit" der Schleifscheibe uebersetzt, braucht man auf Funkensprueher nicht zu warten. Er hat die Ruhe weg. Er ist auch der erste den ich gesehen habe, der die Schaerfe eines Messers testet indem er mit dem Daumen laengs ueber die Klinge faehrt ohne sich dabei den Daumen abzuschneiden. Vermutlich ist der Daumen mittlerweile so oft zerschnitten worden, dass sich bereits eine Hornschicht gebildet hat.

 


(Auf diesem Bild schleift er gerade mein Taschenmesser)

Irgendwie schafft er es aber immer wieder, nach ca. 5-10 Minuten, dass man mit den Messern dann wieder mehr schneiden kann als nur Sahnetorte. Der Preis fuer das Schaerfen eines Kuechenbeils liegt bei 3 Yuan. Fuer ein Messer nimmt er 2 Yuan und fuer die chinesische Machete die ich ihm zum Schaerfen gab, berechnete er 8 Yuan. Sie war das Geschenk eines Bekannten hier in Shenzhen. Ich habe also insgesamt fuer 5 Messer, 3 Kuechenbeile und eine Machete einen "Komplettpreis" von 25 Yuan (2,50 Euro) bezahlt. Bei ihm fange ich auch nicht an zu feilschen. Erstens, weil er wirklich arbeitet fuer's Geld und zweitens, weil der Betrag fuer's Schaerfen immer noch niedriger ist als neue Messer zu kaufen. Ausserdem ist er einer der Leute, die bei mir, einem Auslaender, den gleichen Preis verlangen wie bei Einheimischen. Und selbst bei diesen Preisen sieht man immer wieder Leute die den Preis noch um 1 Yuan (010 Euro) druecken wollen und anfangen zu handeln. Er allerdings hat scheinbar seine festgesetzten Preise von denen er auch durch Handeln nicht abzubringen war.

 

Waehrend man dann auf seine Messer wartet ergibt sich immer wieder mal die Gelegenheit zu einem Schwaetzchen mit den Nachbarn, die auch dor stehen und warten. Wir werden jedenfalls auch bei seinem naechsten "Besuch" wieder das eine oder andere Messer zum Schaerfen runtertragen.

Als ich meinen letzten "Scherenschleifer" in Deutschland habe umherziehen sehen, war ich noch ein kleiner Bengel. Sowas scheint in der heutigen Zeit in Deutschland ausgestorben und nicht mehr modern zu sein. Vielleicht auch, weil sich die Qualitaet des Messerstahls verbessert hat. Hier wird sich diese Taetigkeit sicher noch lange halten und bei der Anzahl der Haushalte hier in der Grosstadt wird ihm. seinen Kollegen und Nachfolgern sicher auch in 100 Jahren die Arbeit nicht ausgehen. Ich wuerde mich jedenfalls freuen, ihn noch recht oft hier bei uns vor dem Haus sitzen zu sehen.

 

Die besten Gruesse aus China

ALEX