Axel Ritsma

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Uebersicht

Land des Laechelns = Freundlichkeit ?

 

Hier muss ich natuerlich als erstes anmerken, dass meine, hier gewonnenen, persoenlichen Eindruecke nur auf 90-95 % der Menschen hier zutreffen. Wer sich also, als chinesischer Staatsbuerger, nicht zu dieser Mehrheit zaehlt, moechte sich bitte in die Gruppe der 5-10 % einreihen, auf die die folgenden Schilderungen NICHT zutreffen. Selbst auf die Gefahr hin, dass nachher ca. 90% in der 10%-Gruppe untergebracht werden muessen. Dies aendert aber nichts an meinen Eindruecken und solche Eindruecke bekommt man hier taeglich "frei Haus" geliefert.

Man sagt ja immer wieder, dies sei das "Land des Laechelns", was im Grossen und Ganzen auch stimmt. Diese Freundlichkeit und dieses Laecheln traegt man aber mehr oder weniger fuer die Auslaender, nach aussen hin, zur Schau.

Ich habe selten, nein, eigentlich noch nie, ein solches Mass an Unfreundlichkeit und Respektlosigkeit gegenueber Menschen gesehen, wie hier bei Chinesen im Umgang mit Landsleuten. Man behandelt Auslaender mit einer Freundlichkeit und einem Respekt, dass sich diesbezueglich viele Staaten in Europa, auch Deutschland und da besonders unser Osten, sich mal ein Beispiel nehmen sollten. Zu keiner Zeit habe ich mich hier in irgend einer Weise schlecht behandelt gefuehlt, ausgenommen, wenn's um die Preise geht. Die sind fuer Aus;laender hoehere als fuer Chinesen. Im Gegenteil. Man wird hier immer und ueberall als Auslaender wie ein Gast behandelt. Das ist auch ein Punkt, den man den Menschen hier sehr hoch anrechnen muss. Viele Auslaender, besonders Touristen, kennen sich halt doch sehr wenig oder gar nicht mit der asiatischen, speziell chinesischen Kultur aus. Und das haelt man hier den Auslaendern zu Gute, wenn man mal, als Tourist oder hier lebender Auslaender, in "ein Fettnaepfchen tritt" und dabei evtl. sogar gemaess chinesischen Gepflogenheiten, jemanden beleidigen sollte. Man sagt dann: "Der weiss es nicht besser und der kennt sich halt hier nicht aus." Diese Einstellung ist wirklich nobel. Dafuer moechte ich den Menschen hier auch recht herzlich danken.

Im Gegenzug dazu ist man gegenueber Landsleuten so unfreundlich, dass ich mich manchmal ueberrascht frage, wofuer denn das "Laecheln" gut sein soll? Stoesst man seinem Nachbarn mit einem Laecheln den Dolch in den Ruecken? Schubst man jemanden mit einem Laecheln beiseite? Schlaegt man seinem Hinterman mit einem Laecheln die Tuere vor der Nase zu? Warum wird mir, einem Auslaender, die Tuere aufgehalten, einem chinesischen Landsmann aber nur selten? Bei Fahrten mit dem Aufzug wird, sobald sich die Tuere oeffnet bereits hineingezwaengt, ob der Aufzug noch voll ist oder nicht. Man gibt den Herauskommenden kaum Gelegenheit den Aufzug zuegig verlassen zu koennen. Anstatt einen Augenblick zu warten, damit die Leute zuerst den Aufzug verlassen koennen, schubst und draengelt man, damit man auch ja einen Platz bekommt. Ist man dann endlich drin, wird sofort auf den Knopf zum Schliessen der Tuere gedrueckt. Ob noch Leute nachfolgen und evtl. eingeklemmt werden oder nicht ist dann egal. Man hat es ja schliesslich eilig und die anderen Leute fahren ja alle "nur zum Spass mit dem Aufzug".


In Beijing traute ich meinen Augen kaum, als an einer Bushaltestelle beim Einsteigen ein ca. 60-70-jaehriger Mann sich zwischen zwei aelteren Frauen durchzwaengte. Als sie nicht sofort Platz machten und ihm wohl bedeutet hatten, er solle sich anstellen, wurden sie beiden mit einem Schulterrempler so zur Seite gedrueckt, dass eine von ihnen umfiel. Hat so ein Benehmen etwas mit Anstand zu tun? Hier scheint es normal zu sein, da ich ein solches Geschiebe und Gedraenge auch hier in Shenzhen taeglich sehe.

Wenn man irgendwo am Schalter in einem Buero oder an einem Verkaufstresen in einem Geschaeft steht, und versucht sich einzureihen, kommen immer wieder Leute von hinten und schieben sich einfach vor. Bei mir, und auch anderen Auslaendern habe ich dies noch nicht beobachtet. Da wartet man bis der Auslaender fertig ist. Ein Grund mag sein, dass man dabei etwas mehr Zeit hat, sich den Auslaender mal genauer anzusehen. Landsleute werden mit Ellbogen weggeschoben, es wird sich einfach Platz verschafft oder schlicht und leise vorgedraengelt.

Die Mentalitaet der Leute hier zeigt, dass erstens jeder sich selbst der Naechste ist und zweitens dass man es scheinbar nicht anders kennt, als dass man um sein Recht oder um seinen persoenlichen Vorteil kaempfen muss.

Leider kann ich die Artikel im Internet nicht mehr wiederfinden, die ich hier gerne einsetzen wuerde, aber sie wuerden so schoen zum Thema passen.

Der erste Artikel wurde geschrieben von einer Reporterin und Autorin die ueber ihren 2-woechigen Aufenthalt in Shanghai berichtete. Sie schrieb ueber ein beispielloses Gedraengel, Rempeleien, Unfaelle, Umweltverschmutzung, Egoismus und grobes Benehmen.

Der zweite Artikel war quasi die Antwort darauf. Der Schreiber meinte, dass die Autorin erstens nach 2 Wochen noch kein allgemeines Urteil faellen kann und zweitens ein wenig voreingenommen gewesen sein muss. Er haette in mehreren Jahren hier in China noch nicht soviele Unfaelle gesehen und die Leute, besonders in den Familien, seien immer recht freundlich.

Also Recht haben beide. Man kann China nicht an Hand eines Kurzurlaubes beurteilen und man muss versuchen die Kultur ein wenig verstehen zu wollen. Auf der anderen Seite ist es eine Tatsache, dass in den grossen Staedten taeglich hunderte von kleineren oder groesseren Unfaellen passieren. Ich habe in den bisher 4 Jahren hier soviele Unfaelle gesehen, dass man einen dicken Bildband mit Fotos davon fuellen koennte. Das die Menschen hier freundlich sind habe ich bereits gesagt, allerdings besonders freundlich zu Auslaendern. Wenn man also recht wenig Kontakt zum "einfachen Volk" und zu den Leuten auf der Strasse hat, sieht man das taegloiche Leben auch mit anderen Augen.

In vielen Faellen kann man diese Freundlichkeit allerdings nicht mit dem Wort "Respekt" sondern, hart ausgedrueckt, mit "A... kriechen" verbinden. Sobald man hier sieht, dass der Gegenueber eine hoehere Stellung bekleidet oder dass man ihm gegenueber in einer Position ist, in der man etwas von ihm moechte, ist man ausgesprochen freundlich, dass es schon beinahe albern wirken koennte. Ich habe in Restaurants bereits lautstarke Streits miterlebt, weil man sich darum stritt, die Rechnung bezahlen zu wollen. Klar, wenn ich jetzt bezahle, dann "schuldet" mir der andere wieder einen "Gefallen". Hat man es aber mit "Untergebenen", Arbeitspersonal und besonders Dienstleistungspersonal zu tun, legt man eine Dreistigkeit und Arroganz an den Tag, die ihresgleichen sucht. Das Benehmen einer Restaurantbedienung gegenueber geht teilweise sogar soweit, dass ich, waere ich der Inhaber des Restaurants und wuerde sowas in Deutschland passieren, die Gaeste rausschmeissen wuerde. Sowas wuerde sich in Europa keine Bedienung gefallen lassen. Hier ist das aber normal. Die Bedienung ist halt auf einem niedrigeren Niveau als die Gaeste, hat weniger Geld (sonst waere sie ja der Gast) und hat oft auch eine niedrigere Schulbildung. Das erklaert hier so manches Benehmen der Asiaten, speziell der Chinesen, untereinander.

Im Strassenverkehr regelt sich die Vorfahrt theoretisch nach der "Strassenverkehrsordnung". Praxis ist aber, dass derjenige Vorfahrt hat, der das groessere oder teurere Auto faehrt, lauter hupen kann oder einfach schneller oder dreister ist. Und das Kuriose ist, niemanden scheint es zu stoeren. Man lebt halt damit, dass man sich nimmt was man braucht, da es einem von niemandem gegeben wird. Ob man dabei andere belaestigt oder gefaehrdet oder unfreundlich ist, scheint eine untergeordnete Rolle zu spielen.

 

Nirgendwo anders trifft das Sprichwort mehr zu: "Andere Laender, andere Sitten."

 

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ALE