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Unfassbar, aber Realitaet!
Heute hat meine Frau mir wieder einmal eine "Horror-Story" vorgelesen. Nein, keine von Edgar Alan Poe oder Frankenstein. Es war eine Meldung aus der Tageszeitung. Solche und aehnliche Geschichten bekommt man hier fast taeglich frei Haus mit der Zeitung geliefert. Die Tageszeitungen hier sind naemlich preiswerter als "Horror-DVD's". Und es sind wahre Geschichten, die das Leben so eigentlich nur in einem echten Entwicklungsland wie China oder in einem Land der, wie es so albern heisst, "Dritten Welt" schreiben kann.
Vor ein paar Tagen hat es wieder mal einen haeuslichen Unfall mit einem Kind gegeben. Ein knapp 2 Jahre alter Junge ist beim Spielen draussen vor dem Haus ca. 1m tief runtergefallen. Ist ja nicht so tragisch, denkt man. Leider ist er aber genau in eine aufragende Eisenstange gefallen, die ihm im Unterleib steckte. Der Vater hat das Kind genommen, die Stange rausgezogen und ist mit Mutter und Kind ins eigens eingerichtete Kinderkrankenhaus, das "Shenzhen Childrens Hospital" gefahren. Da er als Auslieferfahrer arbeitet hat er seinen Kleinlaster genommen und hat sich auf den Weg ins Kinderkrankenhaus gemacht. Dort angekommen, hat sich der Arzt schildern lassen was denn passiert sei und hat dann ohne weitere Untersuchung gesagt, dass man dort nichts machen koenne, da die Apparaturen fuer eine solche Operation leider defekt seien. Er solle doch bitte zum nahe gelegenen "Shenzhen Beijing University Hospital" fahren.
Ok. Der Vater hat also seine Frau und das blutende Kind genommen und ist Richtung "Shenzhen Beijing University Hospital" gefahren. Dabei hat er eine rote Ampel uebersehen und war noch dazu auf einer Strasse unterwegs, die er zu der Zeit mit einem Kleinlaster nicht haette befahren duerfen. Und ganau in diesem Moment muss die Polizei von Shenzhen zeigen, dass sie nach Einbruch der Dunkelheit nicht nur schlaeft. Der Polizist der ihn angehalten hat, wollte natuerlich die Papiere sehen und dem Vater einen Strafzettel ausschreiben. Der hat ihn darauf aufmerksam gemacht, dass sein kleiner Sohn verblutet und er auf dem Weg ins Krankenhaus ist. Aber nein. Jetzt muss man erst einmal zeigen dass man Polizist ist und es muss erst der Papierkram erledigt werden, und Strafe muss sein. Daraufhin hat der Vater dem Beamten die gesamten Papiere hingeworfen und hat gesagt, er haette fuer so einen Scheiss keine Zeit, sein Sohn verblutet und er faehrt jetzt ins Krankenhaus.
Dort, im "Shenzhen Beijing University Hospital" angekommen, sagte man ihm zuerst, er solle doch ins "Shenzhen Childrens Hospital" fahren, da man dort fuer Kinder zustaendig sei und hier nichts fuer ihn tun koenne. Man haette hier keine Geraete um eine solche Untersuchung und Operation durchzufuehren. Da er also nicht wieder dorthin fahren konnte, hat man ihn dann freundlicherweise an ein weiteres Krankenhaus verwiesen.
Und auch dort der erste Hinweis zum "Childrens Hospital" und danach an ein weiteres Krankenhaus. Und auch dort wieder eine Abfuhr.
Auf diese Weise haben die Eltern mit dem blutenden Kind auf den Armen stolze 5 (!) Krankenhaeuser abgeklappert, bis sie dann endlich wieder ins "Shenzhen Childrens Hospital" mussten. Dort hat sich dann ein Arzt den Kleinen angesehen, und zuerst einmal einen Kostenvoranschlag und die Rechnung geschrieben. Operiert wurde der Kleine jedenfalls nicht. Das koenne man dort ja nicht.
Laut Zeitungsberichten hat der Arzt das Kind dann doch irgendwie behandelt. Wie und womit weiss der Teufel, denn der sollte solche Aerzte zuerst holen. Noch waehrend der Behandlung hat das Kind dann versucht sein Lieblingsschlaflied zu singen. Kurz darauf ist der Kleine dann, knapp 12 Stunden nach dem Unfall und einer "Krankenhaus-Rundfahrt" durch Shenzhen, in den Armen der Mutter gestorben.
An eine evtl. Anklage wegen "unterlassener Hilfeleistung" braucht man hier keinen Gedanken verschwenden. Die Aerzte "konnten halt nichts machen". Man kann nur fuer dem Arzt hoffen, dass sich die Eltern jetzt zusammenreissen und trotzdem in die Zukunft schauen, anstatt sich aus Trauer und Wut um ihn "zu kuemmern".
Klar, eine gewisse Mitschuld trifft auch die Eltern, da sie den kleinen Bengel besser haetten beaufsichtigen muessen. Das ist aber dann hier sofort ein Freibrief fuer Andere, eine evtl. auftauchende Verantwortung weit von sich zu schieben und zu sagen: "DU" bist aber zuerst verantwortlich.
Man kann nur hoffen, dass dieser Vorfall ernste Konsequenzen fuer die Verantwortlichen hat. Es hat naemlich mittlerweile einen Sturm der Entruestung wegen dieses Vorfalls gegeben. Mal sehen, ob irgendwelche Massnahmen gegen den oder die Aerzte eingeleitet werden.
Da man hier relativ haeufig Geschichten ueber die Unfaehigkeit von Krankenhaeusern zu lesen bekommt, traue ich nicht jedem dieser "Doktoren" hier wirklich ueber den Weg, wenn er/sie nicht wenigstens im Westen studiert hat. Wie z.B. Dr. Su, eine Bekannte die in Deutschland studiert hat. Sie macht einen kompetenten Eindruck, weiss worueber sie redet und hat mit Sicherheit mehr Fachwissen hat als viele andere Aerzte, die ich bisher gesehen habe. Ich rufe auch schon mal meine Schwester in Deutschland an, die als Krankenschwester in einem Krankenhaus arbeitet und frage sie um Rat. Ich lasse mir auch manche Medikamente aus Deutschland schicken, da ich erstens eine Medikamentenallergie habe und zweitens diese Wirkstoffe hier scheinbar unbekannt sind.
Solche und aehnliche Geschichten, die es hier zu Hauf gibt, lassen einem doch Zweifel an der Menschlichkeit und Faehigkeit eines solchen Krankensystems aufkommen, auch wenn manches, wie z.B. Akupuntur, einfach Klasse ist. Aber das Gesamtbild enttaeuscht halt doch ein wenig.
Dies ist also eine wahre Begebenheit und keine Schauergeschichte, nachzulesen in einer chinesischen Tageszeitung. Sobald es Neuigkeiten zu diesem Vorfall gibt, wird dies natuerlich hier erwaehnt. Es kommt wirklich Wut auf, wenn man sieht, dass ein Kind wegen Untaetigkeit von Aerzten sterben muss.
Hoffentlich kommt es, bedingt durch Einsparungen und Kuerzungen ueberall, in Deutschland nicht auch eines baldigen Tages mal soweit. Die Kinder hier, auch in einer so modernen 7-Mio.-Stadt wie Shenzhen, koennen einem bei solchen "Kinderkrankenhaeusern" wirklich leid tun. Sie sind schliesslich "die Zukunft", um die man sich besser kuemmern sollte.
Und die Moral von der Geschicht,
werde krank in China nicht.
(Obwohl krank zu werden ist weder hier noch anderswo angenehm.)
Ich wuensche allen eine gute Gesundheit, da man so etwas nicht fuer Geld
kaufen kann.
Nachtrag zum obigen Bericht:
Heute war wieder ein Bericht ueber diesen Vorfall in der Zeitung. Er schlaegt also doch groessere Wogen als anfangs von mir und einigen Bekannten erwartet.
Gemaess diesem Zeitungsartikel, diesmal sogar in einer Englisch sprachigen Zeitung, wurde der Junge nach gut 3 Std. und dem Besuch des fuenften(!) Krankenhauses dort untersucht. Es wurden Roentgenaufnahmen sowie ein Computertomographie gemacht. Nach weiteren 3 Std. der Auswertung dieser Aufnahmen, also gut 6 Std.(!) nach dem Unfall sagte dann ein Arzt, dass der Junge dringend operiert werden muesse. Diese Operation koenne aber nur im "Shenzhen Kinderkrankenhaus" gemacht werden, da hier die "Proktologie Abteilung" heute geschlossen sei.
Wiederum sind die veraergerten Eltern dann zum Kinderkrankenhaus gefahren, wo der Junge dann schliesslich doch entgegen ersten Meldungen, ca. 8 Std. nach dem Unfall, operiert wurde. Leider kam diese Operation dann aber zu spaet. Der Kleine verstarb in den Armen der Mutter in den fruehen Morgenstunden des naechsten Tages.
Das Kinderkrankenhaus hat mittlerweile die Verantwortung uebernommen und eine Schuld des dort angestellten Arztes eingeraeumt. Dieser wurde auch bereits vom Dienst suspendiert und seine Berufs-Lizenz eingezogen. Es wurden, laut Zeitungsberichten, bereits Ermittlungen in dem Fall gegen ihn eingeleitet.
Ein Arzt eines anderen Kranklenhauses, der namentlich nicht genannt werden moechte, sagte, dass eine sofortige Operation des Jungen eigentlich nicht so schwierig gewesen waere, da weder seine Leber, sein Herz, die Wirbelsaeule noch innere Organe verletzt worden seien. Der Junge sei mangels sofortiger Hilfe verstorben.
Die Gesundheitsbehoerde ermittelt jetzt in dem Fall.
Es geschehen also noch Zeichen und Wunder. Vor einigen Jahren noch, dies ergab sich aus Gespraechen mit einigen Freunden, waere ein solcher Vorfall als "Schicksal", "goettliche Fuegung" oder "komplizierte toedliche Verletzung" zu den Akten gelegt worden. Man ist also scheinbar doch auf dem "Weg der Besserung". Dies bleibt jedenfalls fuer all die Kinder zu hoffen, denen in Zukunft ein Unfall passieren sollte, damit sie nicht auch ein so tragisches Schicksal ereilt. Man kann nur daraus lernen, dass wir uns besser um unsere Kinder, "unsere Zukunft", kuemmern muessen.
Die besten Gruesse aus China
ALEX