Axel Ritsma

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Es war an einem wunderschoenen Montag morgen im November 2004. Unsere Schule hatte einen Ausflug in die benachbarten Huegel vorbereitet und morgens um 9.00 Uhr gings dann auch schon los. Da es sich um einen "Wandertag" handelte wanderten auch dann unsere gesamten Oberstufenschueler, stolze 250 Kids, und die Lehrer in Richtung "Berge".

Nach dem ersten Kilometer bogen wir dann auch schon von der Hauptstrasse ab und marschierten in die Wiesen und Felder. Fuer die Kids natuerlich interessanter und fuer alle sicherer als auf der Strasse.

Es folgten natuerlich staendig Ermahnungen der Lehrer, dass die Schueler ja vorsichtig sein sollten, damit auch ja nichts passiert. Die Schulaerztin war natuerlich mit dabei. Fuer alle Faelle versteht sich. Hier in China haben fast alle Schulen, besonders die Privatschulen, eigene Aerzte die rund um die Uhr fuer die Schueler zur Verfuegung stehen. Dies allerdings kostenfrei. Bei kleineren Weh-Wehchen hilft der Schularzt weiter, sollte es etwas schlimmeres sein, dann geht's ab ins Krankenhaus. Mit den bereits an anderer Stelle geschilderten Prozeduren.

Natuerlich wurde auch waehrend dieses Wandertages ein Gelaendespiel veranstaltet. Dazu war es erforderlich auf ein Signal hin (das Hissen der chinesischen Flagge) schnellstmoeglich dorthin zu gelangen. Man hielt also die Augen auf um auch ja zu sehen, wann und wo in diesen Waeldern an den Haengen die Flagge gezeigt wurde. Auf Kommando rannte also alles los. Eine kleine Gruppe Schueler, die ich beaufsichtigte natuerlich auch. Ok, es gab hier und da ein paar Kratzer im Unterholz, die anschliessend von unserer Aerztin zu gepflastert wurden, aber das war ja nicht so tragisch.

Die ernsthafteste Verletzung an dem Tag hatte kein Schueler. Nein. Ich war es, der als "Tagessieger" aus den Bergen heimkehrte.

Beim Abstieg von einem dieser Huegel mussten wir durch recht unwegsames Gelaende und durch Dickicht kriechen. Irgendwie erinnerte mich das Ganze mehr an eine Militaeruebung als an ein Gelaendespiel. Auf jeden Fall ging es an der Stelle an der ich mit meinen Schuelern abstieg ziemlich steil runter. Ich ging vor und die kleine Gruppe folgte mir. Durch das ganze Dickicht und die Schlingpflanzen die ueberall rumwucherten hatte ich leider einen kleinen Felsvorsprung und den gut 1 m Absatz dahinter nicht sehen koennen, zumal wir rueckwaerts gehen mussten. Ich spuerte ploetzlich nur noch, wie ich den Boden verlor, abrutschte und mit einem brennendem, stechendem Schmerz am Schienbein auf dem Boden aufschlug. Als ich aufstand wollte ich natuerlich sehen, was mich da zu Fall gebracht hatte. Bei naeherer Betrachtung sah ich dann also auch schon den "Stein des Anstosses" an dem auch bereits Blut und Hautfetzen von mir hingen. Danach sah ich mir dann also doch mal mein Bein naeher an.

Beim Hochschieben des Hosenbeines ergab sich ein unangenehmer Anblick. Das Blut rann mir in zwei kleinen Baechlein auf und in die Schuhe und es fehlte ein Stueck Haut, bis runter zum Knochen. Das ca. 3 cm grosse, runde Loch sah wirklich nicht sehr gut aus. Na ja. Was soll's. Ich konnte schlecht auf den "ADAC-Hubschrauber" warten also weiter. Runter von dem Huegel. Um weitere Verunreinigungen zu verhindern pappte ich zwei Stofftuechlein drauf und band diese mit einem weiteren Stofftuch fest. Da es leider immer noch durchblutete, band ich mein Bein mit einem Paar Schnuersenkeln eines meiner Schueler ab.

Tracey, ein Oberstufenschueler der Junior Grade 3, hat mich gestuetzt und mir auf dem gesamten Weg nach unten geholfen, und mich bis runter zum Parkplatz begleitet.

Unsere Aerztin wurde bereits per Handy verstaendigt und unser Fahrer wartete bereits auf uns. Nach fast einer Stunde war ich unten am Parkplatz angekommen und sofort ging es ab ins Krankenhaus in Kui Chong, dem Ort in dem unsere Schule liegt.

Alles in allem machte dieses Krankenhaus keinen beruhigenden oder angenehmen Eindruck. Ueberall waren die Flure patschnass, sodass erhoehte Rutschgefahr auf dem gefliessten Boden bestand. Die Geraetschaften die ueberall herumstanden sahen aus, als waeren sie schon im Zweiten Weltkrieg eingesetzt worden. Vom "Ambulanzzimmer aus hatte ich eine nette Aussicht auf den Flur und was sich dort abspielte.

Wie gesagt, es herrscht hier meist "Tag der offenen Tuere". So auch in Krankenhaeusern und dort auch in der "Ambulanz". Jedenfalls dachte ich mir, dass bei einer solchen Verletzung sich ein Arzt doch recht zuegig drum kuemmern wuerde. Aber nein. Zuerst musste unsere Schulsekretaerin die ganzen Formalitaeten erledigen. Formular holen; bezahlen; zum Arzt; Diagnose erfragen; Rechnung schreiben lassen; bezahlen; Quittung beim Arzt vorzeigen. Kaum wartet man satte 20 Minuten schon steht der Arzt neben einem an der Liege. So dachte ich, jetzt geht's also los. Aber weit gefehlt. Er sass da und schaute sich mein Bein an. Nun ja, dachte ich, vielleicht ueberlegt er ja noch, wie er die Naehte machen soll oder welche Farbe er dafuer nehmen koennte, aber auch hier weit gefehlt. Es kam erst wieder Bewegung in diesen "Lazarett-Arzt" als unsere Sekretaerin mit der Quittung erschien und zeigte, dass die Behandlung bezahlt wurde. Dann erst hat er sich in aller Seelenruhe Nadel und Faden geschnappt und das Loch vernaeht.

Wenn ich es nicht am eigenen Bein erfahren haette, wuerde ich es nicht glauben, dass ein Arzt neben einem Patienten mit abgebundenen, blutenden Bein sitzt, sich das Ganze in aller Ruhe ansieht und auf die Quittung fuer die Behandlung wartet.

Aber das ist China. "TC", That's China. Bei Unfall oder Krankheit ist es am besten, wenn man immer noch ansprechbar ist um Freunde oder Familienangehoerige anzurufen oder man hat genug Geld mit um alles selbst regeln und bezahlen zu koennen. Kann man beides nicht mehr, hat man klar die "Arschkarte" gezogen.

"Bitte zahlen Sie im Voraus oder verbluten Sie. Aber dann bitte draussen. Bitte tropfen Sie nicht auf unseren Krankenhausboden. Danke."

 

 

Seien Sie vorsichtig. Sie haben nur dies eine Leben.

 

Die besten Gruesse aus China

ALEX